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Zu Christianne Bennedicts und Kevin B. Lees Video-Essay über »The World According to Garp«
Shooting Down Pictures #940(82)
An The World According to Garp (Garp und wie er die Welt sah) (Regie: George Roy Hill, USA 1982) war ich als Jugendliche abends spät vor dem Fernseher hängen geblieben; durch den Film wurde ich zur Leserin von John Irving-Romanen. Christianne Benedicts und Kevin B. Lees Videoessay macht mich auch deshalb neugierig, weil ich kaum mehr filmische Erinnerungen an The World According to Garp habe. Erinnerung eher an ein Symptom als an ein Bild: Damals hatte ich eine Ahnung davon bekommen, dass es andere Geschichten zu entdecken gibt als die, die ich bisher gesehen und gelesen hatte.
Eine Figur des Films heißt Roberta Muldoon, sie ist transsexuell und bildet das Zentrum des filmvermittelnden Films von Christianne Benedict. An dieser Figur geht Benedict der Frage der Repräsentation von Transsexuellen im Kino nach und stellt fest, dass Roberta eine seltene Erscheinung ist: »She is not a victim. She is not a prostitute. She is not a punchline. And she is not a psychopath« – womit die Stereotype benannt wären, die das Kino für die Darstellung von Transsexuellen bereithält.
Christianne Benedict ist selbst transsexuell, und beim Sprechen über das Kino, das einen sehr persönlichen, gesprächsähnlichen Tonfall hat, greift sie mehrfach in die Filmgeschichte aus. Wie beiläufig fächert sie Filmbeispiele für einen auffälligen Mangel an positiver Figurenzeichnung von Transsexuellen auf. In vier zeitgenössischen Filmen, die sich Christianne Benedicts anlässlich des Video-Essays wieder angesehen hat, sind transsexuelle Protagonisten Prostituierte: Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter) (Spanien/Frankreich 1999, Pedro Almodovar), Mauvais Genre (Transfixed) (Frankreich/Belgien 2001, Francois Girod), Wild Side (Frankreich/Belgien/UK 2004, Sébastien Lifshitz) und 20 Centimeters (Frankreich/Spanien 2005, Ramón Salazar). Dagegen konturieren die Filmausschnitte aus The World according to Garp das sympathische Bild von Roberta und zeigen sie in verschiedenen Rollen – als Partnerin von Robin Williams, als Mutter oder Ex-Footballspieler.
John Lithgow, der die Rolle der Roberta Muldoon laut Benedict als eine Art Wiedergutmachung für seine Frauenmörder-Rolle in Blow Out (USA 1981, Brian de Palma) spielt, wird mit dieser Rolle für den Academy Award nominiert – und das nicht als einzige/r Schauspieler/in, die/der eine Figur zwischen den Geschlechtern verkörpert.
According to Christianne Benedict: »That was a very weird year at the Oscars.« Jedenfalls, was Gender-Politik angeht.