Filmvermittlung und frühes Kino
Gustav Deutschs Arbeit am frühen Kino
Materialien
Viele Filme, die sich mit dem frühen Kino beschäftigen, arbeiten kompilatorisch. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Filme kurz sind und sich daher dem reihenden Organisationsprinzip besonders leicht fügen. Und der kompilierende, verknüpfende Aspekt verbindet sich zudem mit einer Eigenheit des frühen Kinos, bei dem die Filme nicht als einzelne Werke, sondern im Kontext oft heterogener Zusammenstellungen gezeigt wurden.
Gustav Deutsch, der sich besonders in Film ist. 1-12 und Welt Spiegel Kino mit dem frühen Kino auseinandersetzt, übernimmt diesen Aspekt der Vorführsituation, aber sein Arrangement des Materials erfolgt deutlich aus der Perspektive dessen, der 100 Jahre später eine neue Ordnung und neue Organisationsformen sucht. Doch Deutschs Aktualisierung orientiert sich zugleich eng an den Sujets, Darstellungsmodi, Themen und Motive des frühen Kinos.
Er selbst nennt das Projekt eine »Phänomenologie des Mediums« und stellt seine Arbeit nicht nur in den Kunst- und Avantgardekontext (in dem es neben Arbeiten von Ernie Gehr, Ken Jacobs oder – geographisch näherliegend – Peter Tscherkassky steht), sondern sieht seine Arbeit ausdrücklich als Forschungs- und Vermittlungsprojekt an.
Ein Zitat von Stefan Grissemann zu Gustav Deutschs Film ist. (7-12)
»Eine Passage in Film ist. (7-12) gilt einem populären Erzählverfahren des early cinema, dem Einsatz der Kreisblende, die als Code des Voyeurs, des blicklüsternen Kinozuschauers gilt: Der Blick fällt durch Ferngläser und Schlüssellöcher, hinter denen sich die ganze Welt befindet, das Ersehnte oder das Erschreckende, was immer das Auge begehrt; anything goes, ein schneller Schnitt genügt, um zwei einander ferne, aneinander fremde Schauplätze eng aneinander zu binden. Deutschs Re-Montage der Bilder suggeriert ›unmögliche‹, genau darin ›filmische‹ Blickketten, eine Serie der heimlichen Blicke.
Ein Mann späht von einem Felsen aus ins Meer, faßt in der Ferne ein Schiff ins Auge, auf dem sich, wie es scheint, eine Gruppe von Seeleuten an Deck nun in Nahaufnahme via Feldstecher eine exotische Tönzerin heranholt, die leichtgeschürzt auf einer Studiobühne sich selbst darstellen muss.«
[Stefan Grissemann: Das Schweigen erklärt nichts, in: Film ist. 7-12. Tableaufilm von Gustav Deutsch. Begleitheft 2002 (Vollständiger Text hier)]
Gustav Deutsch über die Recherche zu Film ist.
Ein Filmprojekt wie Film ist. erfordert naturgemäß umfangreiche Recherchen. Das Besondere und gleichzeitig auch Schwierige an dieser Recherche war die Tatsache, daß sich die Suche nicht auf Filmtitel, Regisseure, Schauspieler, Entstehungsjahre etc. erstreckte, sondern auf Themengebiete, Sujets, Handlungsabfolgen, Einstellungen etc. Die üblichen Ordnungskategorien von Archiven und Sammlungen konnten dafür nicht verwendet werden. Kein Katalogsystem verfügt über diesbezügliche Aufzeichnungen. Und selbst wenn dies der Fall wäre, würden diese ausschließlich die subjektiven Auswahlkriterien und Wertigkeiten der Archivare widerspiegeln.
Der Zugang zu den gesuchten Filmsequenzen konnte alleine über das bildhafte Gedächtnis von Menschen erfolgen, die jene Filme, in denen die gesuchten Sequenzen vorkamen, buchstäblich ›im Kopf‹ hatten. Ihnen mußte ich mich verständlich machen. Die thematischen Schwerpunkte und die Kriterien der Auswahl und Zuordnung der gesuchten Szenen versuchte ich durch Titel zu vermitteln, die Charakteristiken der einzelnen Sequenzen selbst durch stichwortartige Beschreibungen. Manchmal – wo mir Filmbeispiele bekannt waren – führte ich diese ebenfalls an. Die nachfolgende Liste stellt den Stand am Beginn der Recherche dar. Einige der darin vorkommenden Themen wurden im Zuge der Arbeit fallen gelassen, andere kamen auf Grund von neuen Erkenntnissen während der Sichtung dazu.
7. FILM IST. KOMISCH.
8. FILM IST. MAGIE
9. FILM IST. Eroberung
10. FILM IST. SCHRIFT UND SPRACHE
11. FILM IST. GEFÜHL UND LEIDENSCHAFT
12. FILM IST. ERINNERUNG UND DOKUMENT
[Gustav Deutsch: Frau weint. Träne rollt, in: Gustav Deutsch und Hanna Schimek: Film ist. Recherche, Sonderzahl: Wien 2002. S. 9-20; hier S.13-19; mit freundlicher Erlaubnis von Gustav Deutsch.]
Rechercheszizzen zu Film ist. von Gustav Deutsch
[Gustav Deutsch: Film ist. Recherche, Bildteil, in: Gustav Deutsch und Hanna Schimek: Film ist. Recherche, Sonderzahl: Wien 2002. S. 36-107: 44-45]
Filmografie
- Gustav Deutsch: Film ist. 1-6, (AT 1998)
- Gustav Deutsch: Film ist. 7-12, (AT 2002)
Filmografie
- Gustav Deutsch: Film ist. 1-6, (AT 1998)
- Gustav Deutsch: Film ist. 7-12, (AT 2002)
- Gustav Deutsch: Welt Spiegel Kino. Episode 1-3, (AT 2005)