Filmvermittlung und Filmkritik
Rainer Gansera: Arbeit mit Bildern
Fünf Fragen an Rainer Gansera
Welches war Ihre erste filmkritische Arbeit in audiovisuellen Medien? Wie kam sie zustande?
Wenn ich mich recht entsinne, war es das Feature Über Roberto Rossellini für die WDR-Filmredaktion (Werner Dütsch). Es gab in der Redaktion der Zeitschrift »Filmkritik«, der ich zugehörte, die besten persönlichen Kontakte zur WDR-Filmredaktion, insbesondere zu Werner Dütsch. Der Posten, den Werner Dütsch dort besetzte, wurde – glaube ich mich zu erinnern – zuerst Hartmut Bitomsky angeboten.
Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen dem Arbeiten für Print und dem Arbeiten in audiovisuellen Medien?
Das Bild. Die Arbeit mit den Filmausschnitten erfordert eine ganz andere Herangehensweise. Denn sie haben eine Eigenkraft, deren man sich immer bewusst sein muss. Wenn es die »Kunst der Metapher« (Serge Daney) ist, die eine geschriebene Filmkritik auszeichnet, dann ist die Kunst des richtigen Umgangs mit Filmausschnitten das Entscheidende für die Filmkritik im TV.
Gibt oder gab es Vorbilder für Ihre Arbeit mit Bild, Ton und Text?
Unmittelbare Vorbilder gab es nicht. Aber es gab die Sendereihe Cinéastes de notre temps des französischen Fernsehens, aus der wir einzelne Beiträge kannten (von Rivette über Renoir zum Beispiel). Das war schon vorbildlich.
Welche Kriterien haben Sie für die Wahl der Ausschnitte? Wie greifen Sie in das Material ein?
Ich habe an der Konzeption der Sendung Filmtip mitgearbeitet und da von Anfang an Beiträge gemacht. Wesentlich war die entschiedene Abkehr vom Üblichen. Das Übliche, so wie es auch heute noch in den TV-Filmvorstellungen gehandhabt wird: man hat auf dem EPK [Electronic Press Kit] ein paar vorausgewählte Filmausschnitte, Interviews mit Darstellern/Regisseur, und häkelt dann daraus den Beitrag mit einer Folge von Interview-Schnipseln und Filmausschnitten, die mit dem Text zugesprochen werden.
Wir hatten den ganzen Film zur Verfügung, aus dem wir selbst die Ausschnitte wählten. Ließen die Ausschnitte meist unbetextet frei stehen. Und legten den Text über eine Folge von Standbildern. Wenn es darum ging, mal eine Szene beispielhaft zu analysieren, dann wurde in einen Filmausschnitt richtig eingestiegen, Einzelmomente mit freeze-Bildern verdeutlicht und dabei natürlich auch über den Ausschnitt getextet. Die Idee war: das »Gemachte« eines Films sichtbar werden zu lassen: Erzählstrukturen, Umgang mit Farbe und Bewegung, mit Gesten und Blicken, mit Raum und Landschaft, mit Themen und Motiven.
Über welchen Film würden Sie gerne eine filmische Filmkritik machen? Wie sähe diese Filmkritik aus?
Da habe ich keine Lieblingsobjekte. Man kann gute filmische Filmkritiken sowohl zu Blockbustern machen wie zu Autorenfilmen. Blockbuster haben einen »Mechanismus«, den es aufzuschließen gälte. Bei den Autorenfilmen ginge es darum, eine »Handschrift« sichtbar zu machen. Ich habe zahlreiche Filmtips zu Filmen von Rivette, Rohmer, Rossellini, etc. gefertigt, wo ich das versucht habe.
Welche Ihrer Arbeiten halten Sie für einsetzbar in pädagogischen Zusammenhängen von Filmvermittlung? Warum?
Alle meine Arbeiten für die WDR-Filmredaktion könnten dafür taugen, sowohl die Features wie die Filmtip-Beiträge. Weil sie nicht nur Impressionen liefern oder eine Promotion-Idee verlängern. Weil sie versuchen, substanziell etwas über die Filme und die filmische Arbeit zu sagen.
Können Sie uns eine Auswahl von fünf Ihrer (liebsten) Arbeiten nennen?
André Bazin 1918-1958. (Portrait des französischen Filmkritikers und »Vaters der Nouvelle Vague«. Gespräche mit Rohmer, Rivette, Rouch, Tacchella. 2004 habe ich eine gekürzte, kompakte Version der Sendung hergestellt, die fast besser ist als die Lang-Fassung von 1985.)
Arbeiten mit François Truffaut (Gespräche mit Mitarbeitern Truffauts)
Über Roberto Rossellini.
Die Kamera in Betthöhe (Beitrag zu »100 Jahre Kino«; dreiteilige Sendereihe, die 1996 mit dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet wurde)
Das Kino des Fantastischen (1) – Von Münchhausen bis Harry Potter und Das Kino des Fantastischen (2) – Übermenschen und Untertassen (Zweiteiliger Beitrag zum Fantastischen Kino, über »Fantasy und Phantasie«)
Filmografie
- Rainer Gansera: André Bazin 1918 - 1958, (DE 1985)
- Rainer Gansera: Boyfight – Girlfight. Ein kurzer Blick in die lange Boxerfilmgeschichte, (DE 2001)
- Rainer Gansera: Buchtip – André Bazin, »Was ist Film?«. Die Kunst, das Kino zu lieben, (DE 2004)
- Rainer Gansera: Das Kino des Phantastischen. 1. Von Münchhausen bis Harry Potter, (DE 2005)
- Rainer Gansera: Das Kino des Phantastischen. 2. Übermenschen – Untertassen, (DE 2005)
- Rainer Gansera, Norbert Grob, Anke Leweke, Katja Nicodemus, Josef Schnelle: Das Kino von Null auf 2000. 2000 Jahre Geschichte(n) im Kino, (DE 2000)
Abenteuer Film. 100 Jahre Kino
- Rainer Gansera: Erinnerungen an Roberto Rossellini und »Deutschland im Jahre Null«, (DE 1988)
- Rainer Gansera: Erinnerungen an Roberto Rossellini und »Indien, Mutter Erde«, (DE 1988)
- Rainer Gansera: Erinnerungen an Roberto Rossellini und »Reise in Italien«, (DE 1988)
- Rainer Gansera: Humor und Schwerfälligkeit. Karl Valentin und Fritz Lang. Dr. Mabuse und Herr Wrdlbrmpfd, (DE 1984)
Telekritik
- Rainer Gansera: Telekritik: Peter Nestler. Über zwei Filme von Peter Nestler, (DE 1975)
- Rainer Gansera: Roberto Rossellini, (DE 1978)
Kinomagazin
- Rainer Gansera, Heiner Gassen: Kinomagazin: Vive les revues!. Filmzeitschriften in Frankreich. Positif – Cahiers du Cinéma – Trafic, (DE 1993)
- Rainer Gansera: Von der Schaubude zum Filmpalast, (DE 1983)
Filmtip
- Rainer Gansera: Filmtip: »4 aventures de Reinette et Mirabelle« [»Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle«], (DE 1987)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Accattone«, (DE 1982)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Am Ende der Gewalt«, (DE 1997)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten«, (DE 1990)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Breaking the Waves«, (DE 1996)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Caro Diario« [»Liebes Tagebuch«], (DE 1994)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Das Leben der Anderen«, (DE 2006)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Das Mikroskop«, (DE 1988)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Die Frau des Fliegers«, (DE 1982)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Die Millionen eines Gehetzten«, (DE 1982)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Die Unberührbare«, (DE 2000)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Elisa«, (DE 1995)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Elling«, (DE 2002)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Far From Heaven« [»Dem Himmel so fern«], (DE 2003)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Girlfight« [»Girlfight - Auf eigene Faust«], (DE 2001)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Intimacy«, (DE 2001)
- Rainer Gansera, Claudia Lenssen, Katharina Maes: Filmtip: »Komm näher« und »Das Leben der Anderen« und »Paradise Girls«, (DE 2006)
- Rainer Gansera: Filmtip: »L'Arbre, le maire et la médiathèque ou les sept hasards« [»Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek«], (DE 1994)
- Rainer Gansera: Filmtip: »L'Enfant de l'hiver« [»Das Winterkind«], (DE 1989)
- Rainer Gansera: Filmtip: »L'Histoire de Marie et Julien« [»Die Geschichte von Marie und Julien«], (DE 2004)
- Rainer Gansera: Filmtip: »La Fille seule«, (DE 1997)
- Rainer Gansera: Filmtip: »La fille seule« und »Le septième ciel« und »L’école de la chair«, (DE 1999)
- Rainer Gansera: Filmtip: »La stanza del figlio« [»Das Zimmer meines Sohnes«], (DE 2001)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Le Temps qui reste«, (DE 2006)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Le petit criminel« [»Der kleine Gangster«], (DE 1991)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Le rayon vert« [»Das grüne Leuchten«], (DE 1987)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Love & Human Remains« [»Liebe und andere Grausamkeiten«], (DE 1995)
- Rainer Gansera: Filmtip: »My Brother Tom«, (DE 2002)
- Rainer Gansera: Filmtip: »My Summer of Love«, (DE 2005)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Mùi du du xanh« [»L'odeur de la papaye verte« / »Der Duft der grünen Papaya«], (DE 1993)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Nelly & Monsieur Arnaud«, (DE 1996)
- Rainer Gansera: Filmtip: »No Nukes«, (DE 1982)
- Rainer Gansera: Filmtip: »One False Move«, (DE 1993)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Picasso«, (DE 1984)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Romance«, (DE 2000)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Rust Never Sleeps«, (DE 1980)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Secret Défense«, (DE 1998)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Smoking/No Smoking«, (DE 1994)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Son Frère«, (DE 2003)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Stromboli«, (DE 1985)
- Rainer Gansera: Filmtip: »The Girl Can’t Help It«, (DE 1982)
- Rainer Gansera: Filmtip: »The Way It Is or Eurydice in the Avenues«, (DE 1986)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Tierra« [»Erde«], (DE 2004)
- Rainer Gansera: Filmtip: »To Vlemma tou Odyssea« [»Der Blick des Odysseus«], (DE 1995)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Tokyo Eyes«, (DE 1999)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Twelve Monkeys«, (DE 1996)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Twist«, (DE 1993)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Un couple épatant« [Ein Tolles Paar], (DE 2004)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Une histoire de vent« (»Eine Geschichte über den Wind«), (DE 1989)
- Rainer Gansera: Filmtip: »Van Gogh«, (FR 1992)
- Rainer Gansera: Filmtip: »White Oleander« [»Weißer Oleander«], (DE 2003)