Cinéphilie: André S. Labarthe
Fuller in »Cinéastes de notre temps«
[aus: Cahiers du Cinéma N° 93, September 1967]
Noël Burch und André S. Labarthe, Autoren der Fuller gewidmeten Sendung aus besagter Reihe, erklären ihr Vorgehen und legen die Lehren dar, die sie aus ihrer Arbeit gezogen haben.
ASL … Für diese Art von Sendungen (Cinéastes de notre temps) hängen die Dreharbeiten von drei wesentlichen Gegebenheiten ab: (1) von der Zeit, die uns unser Gesprächspartner zur Verfügung stellt. Das kann von 45 Minuten reichen (John Ford) bis zu zwei Wochen (Roger Leenhardt). (2) von seinem Grad an Beteiligungsbereitschaft: Es mag möglich sein, jemanden wie Bresson 20 Mal den selben Satz wiederholen zu lassen; ähnliches von Bunuel oder Sternberg zu erwarten, wäre vergeblich. Schließlich (3) vom Ort, an dem die Aufnahmen gemacht werden und dessen Rolle entscheidend sein kann – übrigens nicht so sehr im Hinblick auf seine eigentliche Bedeutung (wie gemeinhin gedacht wird) als darauf, welche Gedanken er heraufbeschwört oder welches Verhalten er aufkommen lassen könnte beim jeweiligen damit konfrontierten Filmemacher (die Sologne für Renoir, die römischen Vorstädte für Pasolini). Ich benutze das Wort »Gegebenheiten« mit Absicht, um damit Umstände zu bezeichnen, die theoretisch bar jeglicher Unwägbarkeiten sein müssten. Dabei sind es zu einem großen Teil genau diese Unwägbarkeiten, die die Richtung vorgeben. Daraus ergibt sich ein besonderer Status für die Sendungen, in denen jedes Gegebene – so willkürlich es auch sein mag – stets sein Glück versuchen wird, als Teil einer Ordnung späterer Entscheidungen, der Montage, die dem Gegebenen Kraft und Sinn verleiht, in Frage zu kommen. Sollte sich eine Sendung einmal zufällig als von Anfang bis Ende kontrollierbar herausstellen, bereitet die Montage kaum Schwierigkeiten. Die Sendung über Leenhardt, schon im Vorfeld der Dreharbeiten fast komplett in einzelne Einstellungen aufgelöst, stieß im Schnitt auf kein ernsthaftes Problem mehr. Das ist allerdings ein Ausnahmefall, dem außerdem Leenhardts außerordentliche Leichtigkeit zugute kam, mit der er in der Lage ist, sich selbst wie eine Rolle zu spielen. Im Großen und Ganzen bestehen Dreharbeiten meistens darin, Rohstoff zu sammeln; die Funktion des Schnitts liegt dann darin, das Material zu bearbeiten und umzugestalten. Wie geschieht das?
Man erfährt also, dass X in Paris und bereit ist, uns zu empfangen, eine Stunde lang oder zwei oder einen ganzen Vormittag. Eilig rufen wir ein Drehteam zusammen, bewaffnen uns mit Filmographien, erkundigen uns bei Brion, überfliegen die in den »Cahiers« oder anderswo veröffentlichten Interviews. Aber es ist bereits zu spät. Man hetzt zur Verabredung, richtet sich an einem tags zuvor noch völlig unbekannten Ort ein, trifft Entscheidungen wie ein zum Tode Verurteilter, eingekeilt zwischen den absurden Koordinaten von Zeit, Raum, Stimmung... Zum Einfachsten streben. Zwei Einstellungsgrößen: Naheinstellung, Großaufnahme. Wenn es der Abstand erlaubt, eine amerikanische Einstellung. Einige Alternativen: fester Rahmen (Kamera auf Stativ) – beweglicher Rahmen (Handkamera), scharfer Hintergrund – unscharfer Hintergrund, Fragen im Bild stellen oder außerhalb... Man justiert, so gut man kann, im Blindflug: Wer kann schon sagen, wie sich diese unmerkliche Vorwärtsbewegung des Zoom auswirken wird oder jene schnell vollzogene Einstellungsänderung während einer Frage, die man so lange stellt, bis der Kameramann genug Zeit hatte, sein neues Bild zu fixieren? Weil sich die Wirklichkeit nicht in verschiedene Einstellungen auflösen lässt, versucht man, sie in all ihren Facetten zu erfassen und während des langen, ununterbrochenen Fließens, das in die 120-Meter-Kassetten der Coutant strömt (zehn bis zwölf Minuten), einige Weichen stellen, um im Schnitt die Sendung auf ein richtungsweisendes Gleis zu setzen. Die Dreharbeiten werden auf diese Weise berichtigt, manchmal auch konterkariert, in jedem Fall interpretiert... Ganz zu schweigen von den Problemen des Interviewers – angehalten, sich eine Haltung zurecht zu improvisieren, je nach Stimmung und Charakter seines Gesprächspartners, den er nicht immer kennt – die flüchtige Bekanntschaft eines Menschen, der nicht immer der Vorstellung entspricht, die sein Werk hervorruft...
So waren die Bedingungen, unter denen die Sendungen über Ford, Walsh, Cukor, Hitchcock, Vidor, Sternberg und Fuller gedreht worden sind.
6. Juli 1965. Fuller ist in Paris, um sich ganz der Vorbereitung von »Les Fleurs du Mal« widmen zu können, nach einem Drehbuch von Noël Burch. Er willigt ein, uns in der Wohnung, die er am Square Félix Faure bezogen hat, zu empfangen. Ich bat Moullet, das Interview zu führen. Wie mit Fuller vereinbart, soll dieser Arbeitstag der erste innerhalb eines Drehplans sein, der den wichtigsten Etappen der Vorbereitungen und anschließenden Dreharbeiten zu »Les Fleurs du Mal« (The Flowers of Evil) angepasst ist. Trotzdem unternehmen wir an diesem ersten Tag instinktiv eine nahezu vollständige Rundreise durch die Laufbahn von Fuller, seine Vorstellungswelt und seine geschmacklichen Vorlieben. Die Wohnung ist winzig. Wir »wählen« zwei Einstellungen aus: in der ersten sitzt Fuller am Schreibtisch, hinter einer »Royal«-Schreibmaschine, in der zweiten steht er auf dem Balkon, den Rücken dem Eiffelturm zugewandt. So nehmen wir ungefähr vier Stunden Material auf. Januar 1967. 18 Monate später. Fuller ist seit über einem Jahr zurück in Hollywood. Sein Filmprojekt hat sich zerschlagen, und mit ihm unser eigenes Vorhaben. Ich lasse Noël Burch kommen, wir schauen uns die Muster an, diese beiden unendlich oft wiederholten Einstellungen von Fuller. Erstaunlicherweise beginnt sich in dieser Einfachheit und in dieser Monotonie eine Montageidee abzuzeichnen...
NB Angesichts der vier Stunden Muster kam es uns in der Tat so vor, als würde sich uns eine Fullers Sprechen innewohnende klare Form offenbaren; zumindest schien er so etwas nahelegen zu wollen. Fuller ist eine Art natürlicher Schauspieler: Seine Ausführungen zu jedem Thema, egal, wie kurz sie ausfallen, sind meist erstaunlich gut aufgebaut, sowohl auf dramaturgischer Ebene (mit Stimmvariationen, die von sehr hohen bis zu sehr tiefen Tönen reichen, von schmierig bis naiv, mit Gesten und Mimik usw.) als auch auf inhaltlicher. Um die Struktur jeder Ausführung herausstellen zu können, beschlossen wir, die Sendung in sehr autonome Kapitel zu unterteilen, auf sehr brutale Weise getrennt durch Zwischentitel, die diese Kapitel mit »Überschriften« versahen. Innerhalb jeder einzelnen dieser so abgeteilten Sequenzen konnten wir nunmehr Fullers intuitive Struktur herausarbeiten, mit Hilfe einmontierter Filmausschnitte und indem wir bestimmte Äußerungen wegließen bzw. indem wir in manchen Fällen die Reihenfolge der Aussagen änderten. Aus Ermangelung an Schnittbildern und weil wir uns von vornherein darauf festgelegt hatten, die Beiträge des Interviewers im Off herauszuschneiden (abgesehen von einigen »privilegierten« Fragen im Abschnitt »Technik«, die in der Mischung hinzugefügt wurden), mussten wir sehr häufig »Jumpcuts« verwenden. Es gab sie in zwei Kategorien: (1) diejenigen, die unsichtbar gemacht werden konnten (zumindest für den »durchschnittlichen Zuschauer«); (2) diejenigen, die einen offensichtlichen Bruch in der Kontinuität der Bilder markierten. Die Schnitte der zweiten Kategorie mussten auf Anhieb den Rhythmus der entsprechenden Sequenz aufnehmen können, entweder indem sie mit einem punktuellem Tonereignis in Einklang gebracht wurden, oder indem vor dem jeweiligen Schnitt eine ausreichend lange Pause geschaffen und dafür Sorge getragen wurde, dass dieser Schnitt dann einen starken Auftakt bildet, der seine trennenden Eigenschaften betont und ihn so zum Bestandteil einer großen Diskontinuität (der Gesamtanlage der Sendung) macht, statt nur auf die kleine Kontinuität, auf die der Sequenz, auszusein.
ASL Zwei grundlegende Optionen bieten sich dem Filmemacher (und dem Cutter) für diese Art von Sendungen an. Es sind dies so grundlegende Optionen, dass sie die beiden großen Strömungen unseres Fernsehens bestimmt haben: auf der einen Seite die Gefolgschaft von J.-C. Bringuier, auf der anderen Seite jene J.-C. Avertys. Einige Regisseure wie Gance oder Walsh erwecken den Eindruck, als würden sie sich von vergehender Zeit tragen lassen, innerhalb derer es geschehen kann, dass sie sich aktiv, einfallsreich und schöpferisch zeigen. Dicke, träge Dauer, die sich in dem, was man konventionellerweise als Leerlauf oder tote Zeit bezeichnet, in ihrem Rohzustand zeigt und aus der der eigentliche Werkstoff der Montagearbeit besteht. Gance oder Walsh zu schneiden, bedeutet, das Porträt eines Menschen aus solchem Material zu bauen – also vor allem dessen Kontinuität zu bewahren. (Es sei angemerkt, dass es sich meist um ältere Personen handelt, die sich »Zeit nehmen« für ihre Ausführungen, für ihre Erinnerungen, für ihr Schweigen.) Für die Fuller-Sendung beschlossen wir, eine andere Richtung einzuschlagen. Fuller lebt ein Vollzeitleben, ein hartes Leben, permanent in Bewegung, kein einfach nur gelebtes, sondern ein von eigenen Entscheidungen selbst gestaltetes Leben: Eigenschaften, die sich auf sein Kino übertragen, das, gespannt wie eine Bogensehne, von ständiger Sorge um Effizienz angetrieben wird. Bemerkenswerterweise erlaubte das genaue Studium der Muster herauszufinden, dass die unausweichlich alle Dreharbeiten durchziehenden toten Zeiten keine tragende Dauer produzieren wie bei Gance, sondern regelrechte Intervalle des Nichts zwischen zwei Stücken kaum verbundener Welten – Intervalle, die vermittels eines für ihn typischen Einsatzes von Sequenzeinstellungen zum Verschwinden zu bringen eine der Obsessionen des Regisseurs Fuller geworden ist. Von diesem Punkt aus heißt »Fuller schneiden« diese Obession mitzuvollziehen, allerdings nicht durch den Nachbau einer vollständigen und durchgehenden Wirklichkeit (wie es Fuller macht), sondern schlicht und einfach indem (mit Hilfe der Schnitte) alles aus der unbearbeiteten Wirklichkeit entfernt wird, das der toten Dauer zuzurechnen ist. Nach der methodischen Anordnung von Fullers Aussagen besteht die Montage ausschließlich in einer Arbeit der Abflachung, vergleichbar mit der Projektion eines Volumens auf eine zweidimensionale Fläche (ein wenig so, wie es in Comic-Zeichnungen geschieht oder in den Sendungen von J.-C. Averty). Mehr »gelebte« Dauer also, aber eine Rhythmik und eine Plastizität, die aus vier Grundelementen gewonnen werden: aus den synchronen Bildern Fullers, den Filmausschnitten, der Musik und den Zwischentiteln.
NB Im Allgemeinen ist die Entstehung einer Sendung bestimmt von der Mühe, eine Form zu schaffen, die vergleichbar ist mit der »Großen Variation« in der Musik. Das schlichte Anliegen, vermeiden zu wollen, dass die regelmäßige Wiederkehr von Zwischentiteln auf Dauer eine Wirkung von Monotonie entfaltet, hat uns dazu bewogen, unsere Titel ständig zu variieren, und zwar in jeder Hinsicht, allerdings bei gleichzeitiger Wahrung ihrer strikten materiellen Einheitlichkeit. So haben wir beispielsweise darauf geachtet, dass alle Titel bildfüllend sind, obwohl wir für alle Titel dieselbe Typographie verwendeten; bei erheblichen Unterschieden in der Länge der Titel (von »Der Ton« bis zu »Die Hausierer des Klatsch«) ist die Schriftstärke ständig eine andere. Zur Verweildauer jedes einzelnen Titels haben wir uns anfangs auf das gestützt, was als durchschnittliche Lesegeschwindigkeit angesehen wird (zwei Bilder pro Buchstabe). In regelmäßigen Abständen haben wir dann einzelne Titel in Bezug auf diese »Optimaldauer« verlängert oder verkürzt, um auf diese Weise ein dynamisches Atmen zu erzielen, in Abhängigkeit zu einem mal stärker, mal schwächer ausgebildeten Leseverständnis. Schließlich bestehen die Titel entweder aus weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund oder umgekehrt. Bestimmte Titel verändern, während der Film läuft, die »Farbe« und diese Farbwechsel stehen im Zusammenhang mit Tonereignissen; sie werden bestimmt durch die dominante Tonalität derjenigen Einstellungen, die diesen Titeln folgen bzw. vorangehen (insbesondere sind die Einstellungen von Fuller auf dem Balkon sehr hell, während die Innenaufnahmen sehr dunkel ausfallen). Jedenfalls haben wir so deutlich wie möglich eine gewisse Variationsbreite von Verhältnissen vorzuführen versucht, wie sie zwischen einem Titel und dem Gegenstand einer Sequenz herrschen können... oder ein wenig genauer: Wir haben versucht, eine »Gag«-Beziehung zwischen ankündigendem Titel und der ihm folgenden Sequenz einzuführen und zu betonen. So heißt die allererste Sequenz, in der Fuller die Gründe erläutert, weshalb er Neuengland, seinen Herkunftsort, nicht mag, ein wenig ironisch »Land und Leute«). Für die zweite Sequenz wechselt die Ironie ein wenig die Lager, schließlich ist es kaum möglich, Fullers Bücher als »Literatur« anzusehen. Dagegen behandelt »Der Journalismus« genau das. Der Titel »Joseph Pulitzer« wirkt wie die erste Replik der folgenden Sequenz. Etwas später beginnt die mit der »Der Regen« betitelte Sequenz mit zwei Einstellungen, in denen Fuller Schreibmaschine schreibt; das Geräusch leitet im Stakkato direkt über zum ersten Donnerschlag aus der berühmten Regenszene im Flur von Shock Corridor. Schließlich steht der Titel »Der Ton« (der letzte der ganzen Sendung) mehrere Minuten lang, begleitet von den erstaunlich schönen Schüssen, die am Ende von House of Bamboo abgegeben werden, während gleichzeitig die Schrifttafel auf bestimmten Schüssen ihre Farbe ändert, und zwar nach einem recht komplexen rhythmischen Schema. Wir haben auch auf eine sehr große Bandbreite (man könnte sogar sagen: auf eine Polarität) in der Dauer der unmittelbar aufeinander folgenden Sequenzen geachtet, das geht von zehnsekündigen bis zu sieben- bis achtminütigen Teilstücken. Im Gegensatz dazu ist der Wechsel der Themen, von den großen Brüchen abgesehen, die die Sendung in ihre drei Hauptteile gliedern, entweder chronologisch organisiert (in den ersten vier Sequenzen) oder über assoziative gedankliche Verbindungen (beispielsweise die Kette »Der Krieg«, »Die Männer«, »Die Frauen«, »Das Geld«).
ASL Trotzdem darf man nicht glauben, dass das Einsetzen eines »Titels« unausweichlich die Kontinuität einer Sendung unterbrechen würde. Genauso gut kann ein Titel einen Zusammenhang erst herstellen: Es reicht beispielsweise aus, eine sehr anpassungsfähige Begleitmusik auszuwählen und den Titelinhalt im Stile jener Zusammenfassungen zu formulieren, die früher den Kapiteln der Fortsetzungsgeschichten und bestimmter Romane vorangestellt wurden (vgl. »Onkel Toms Hütte«: »In dem der Leser die Bekanntschaft eines wahrhaft menschlichen Mannes macht«). Eine solche Lösung wählten wir für die Sendung über Gance. Man kann die Zwischentitel auch ganz schnell einfügen, ohne dafür die Tonspur zu unterbrechen, so wie wir es für die Sendung Der Dinosaurier und das Baby gemacht haben, wo acht Titel mit großen Zahlen die wesentlichen Gliederungspunkte des Zwiegesprächs von Lang und Godard anzeigten, ohne dessen Fluss zu stören. Letztlich kann man die Bild-Ton-Kontinuität dadurch in Gänze wahren, dass man die Titel in das Material einblendet, so wie es Rivette in seiner dritten Jean Renoir gewidmeten Sendung getan hat. (Um den Zusammenhang zum Gesagten noch zu verstärken, wurden die Titel hier wie Untertitel eingesetzt.) Es kommt also alles auf die Verwendung von Zwischentiteln an. In der Fuller-Sendung setzten wir alles daran, den Titeln eine Trennungsfunktion zuzuweisen: die Musikauswahl, der trockene Text, die Bedeutung des plastischen Eindrucks. Die gleichen Anmerkungen ließen sich in Bezug auf die anderen bekannten Zutaten solcher Sendungen machen: die Filmausschnitte und das Tonmaterial.
NB Wir haben es mit drei Typen von Tonmaterial zu tun bekommen: mit dem Direktton des Interviews (in den Einstellungen auf dem Balkon mit entsprechend lauter Baustellen-Atmo und in den Innenräumen mit einer stillen, dennoch »lebendigen« Atmo), mit dem »Studio«-Ton der ausgewählten Ausschnitte (ein Ton von großer Homogenität in seiner Textur, zurückzuführen auf die Einförmigkeit der Tonaufnahme- sowie der Mischungstechnik in Hollywood) und mit musikalischen Elementen (von Schallplatte, also eine weitere charakteristische Tonstimmung), die zur Begleitung der Zwischentitel eingesetzt wurden. Die Übergänge von einem Tontyp zum anderen markierten wesentliche Bruchstellen und bildeten einen der roten Fäden des Films. Die Musik selbst verdankte sich einer sehr ausgefeilten Arbeit. Wir wählten eine japanische Perkussionsmusik (Kabuki), die lediglich 4 oder 5 Klangfarben verwendet und in Wirklichkeit nur wenige Minuten dauert (die zahlreichen Wiederholungen eingeschlossen). Ausgehend von dieser freiwilligen Materialbeschränkung, konnten wir um die 25 von der Länge und Charakteristik vollkommen unterschiedliche rhythmische Figuren bilden, von denen einige lediglich aus zwei Noten bestehen, andere aus einer ganzen Explosion von Tönen. Hier haben wir das Konzept der Variation vielleicht am weitesten getrieben. Wir haben uns auch darum bemüht, durch den Ton einzelne Zwischentitel gegenüber anderen hervorzuheben, jedes Mal auf eine neue Weise: So wird ein Titel nur von der Atmo eines Filmausschnitts begleitet, ein anderer blinkt synchron zu den Trommelschlägen zwischen schwarz-auf-weiß und weiß-auf-schwarz hin und her, wieder ein anderer lappt über die ersten Worte Fullers, ein einziger bleibt stumm, noch ein anderer verwendet die Musik aus dem betreffenden Filmausschnitt, usw.
ASL Das Ziel unserer Eingriffe war die Herstellung eines Gegenstands, dessen Funktionsfähigkeit auf einem System innerer (allerdings empirisch nachweisbarer) Gesetze beruht. Das Reale – Grundlage des Kinos – spielt hier nur die Rolle einer Trägerrakete, dazu bestimmt zu verglühen, sobald der Gegenstand auf seine Laufbahn gesetzt und in der Lage ist, sich von selbst zu bewegen. Doch als wir Freunden unsere erste Schnittfassung der Sendung vorführten, stellten wir fest, dass ihre Funktionsfähigkeit noch nicht voll entwickelt war. Dieser Schnitt dauerte 90 Minuten. Wir haben ihn gekürzt. Wir änderten die »musikalische« Kurve (zunächst getragen, dann heftig, dann wieder ruhig, schließlich leidenschaftlich). Vor allem haben wir die beiden Pole der Sendung einander angenähert: den Pol des Textes und den rhythmisch-plastischen Pol. Unser Ehrgeiz bestand darin, diesen Gegenstand – der Fuller ähnelte wie ein Spiegelbild – auch von seiner Funktionsweise her dem Regisseur anzuverwandeln.
Wir danken André S. Labarthe für den Hinweis auf diesen Text und die freundliche Genehmigung, ihn in deutscher Übersetzung hier zu publizieren. Übersetzung: Stefan Pethke.