Filmvermittlung und Cinéphilie: Jean Douchet
Die Harmonie der Widersprüche
Der französische Filmkritiker Jean Douchet
Er ist ein Meister der Eröffnung, des Auftaktes. Bereits im ersten Satz einer Kritik legt er seine Karten offen und scheut sich dabei nicht, mit hohem Einsatz zu spielen. So beginnen einige der Kritiken von Jean Douchet:
Das Mädchen aus der Unterwelt, das mit wirklichem Namen Party Girl heißt, ist bislang das Meisterwerk von Nicholas Ray.
Eine Nummer zu groß ist des großen Frank Capra keineswegs unwürdig; ganz im Gegenteil.
Hatari! ist vielleicht nicht der beste Film von Hawks. Aber er scheint sein aufschlussreichster zu sein.
Um sich selbst treu bleiben zu können, ist John Ford wieder zu einem Avantgarde-Regisseur geworden. (über Sergeant Rutledge/ Mit einem Fuß in der Hölle)
Was ist das für eine befremdliche Liebe, mit der Marnie geliebt wird?
Bergman war nie ein großer Filmemacher, sondern ein bemerkenswerter Autor. (über Ansiktet/Das Gesicht)
Abel Gance hat seine Schlacht von Austerlitz verloren.
Mit den ersten Worten fällt dieser Kritiker schon sein Urteil, schmettert es dem Leser entgegen, wie einen Fehdehandschuh. Er macht ihm kein Angebot. Er weckt sein Interesse mit einem Reiz, einer Lockung, einer Provokation. Seinen Widerspruch, und den des Großteils seiner Kollegen, hat er dabei einkalkuliert. Insgeheim reagiert er bereits auf ihn. Das Mandat, das er mit der Eröffnung annimmt, ist das eines leidenschaftlichen, wehrhaften und ehrgeizigen Verteidigers. Er fürchtet die Argumente der Ankläger nicht. Er fühlt sich in besonderer Weise ermächtigt, sein Plädoyer zu halten, denn er ist überzeugt, in Herz und Seele seines Mandanten geschaut zu haben.
Dieser Autor legt sich von Anfang an auf den hohen Ton der Bestimmtheit fest. Seine Auffassung vom Kino und der Art, darüber zu schreiben, ist aristokratisch. »L’art d’aimer«, die Kunst zu lieben, hat Jean Douchet einen programmatischen Aufsatz über sein Metier genannt – und nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sie nicht beherrschen könnte. Zweier Eigenschaften ist er sich gewiss, der Leidenschaft und der Luzidität. So formuliert er in dem Essay seine Auffassung von Kritik: als ein Equilibrium dieser beiden, gegensätzlichen Impulse. Er ist mithin selbstbewusst genug, um sich mit dem Anfang sogleich einer Herausforderung zu stellen: Das Postulat des ersten Satzes muss er in der Folge rechtfertigen, die aufgestellte These durch seine Argumentation beglaubigen. Dabei bedient er sich einer filmischen Technik: Im ersten Absatz lässt er die Motive eines Films anklingen, um deren Untersuchung sodann zu vertiefen.
Auch wenn Douchet sich in seinen Kritiken eher dem Werk verpflichtet zu fühlen scheint als einer Leserschaft, werfen sie eine Frage auf: An wen richtet er sich? Für wen schreibt er auf die Art, wie er es tut? Richtet er sich an die Eingeweihten, die Gleichgesinnten? Oder für Diejenigen, die noch gewonnen, überzeugt werden müssen? Seine Texte lassen kein voraussetzungsloses Lesen zu. Sie sind hintergründig, anspielungsreich, binden die anderen Künste (und vor allem die Geschichte dieser einen Kunst) in ihre Argumentation ein. Man muss nicht alle Grabenkämpfe, die Hernanischlachten der französischen Filmkritik kennen, um seine Texte zu verstehen. Aber zu einer Übereinkunft muss man bereit sein: der Liebe zum Kino.
Ein veritables Bedürfnis
Jean Douchet wird am 19. Januar 1929 im nordfranzösischen Arras geboren. Seine Kinobegeisterung hat, wie die des drei Jahre jüngeren François Truffaut, ihre Wurzeln in der Zeit der deutschen Besatzung. Von den Eltern auf ein kirchliches Internat in Paris geschickt, entdeckt er Filme wie Les Visiteurs du soir (Die Nacht mit dem Teufel) oder Le Corbeau (Der Rabe), die er sich gleich mehrmals anschaut. 1948 besucht er zum ersten Mal die Cinémathèque française, wo er Eric Rohmer, Truffaut und andere Filmbegeisterte kennenlernt. Regelmäßig frequentiert er Filmclubs wie »Objectif 49«; auch beim »Festival du film maudit« in Biarritz ist er im Sommer 1949 zugegen. Auf Empfehlung von Rohmer verfasst er für La Gazette du cinéma einen Drehbericht zu Robert Bressons Le Journal d’un curé de campagne (Tagebuch eines Landpfarrers), der im Juni 1950 erscheint. Der Artikel, eine minutiöse Studie von Bressons Inszenierungsstil, verrät die große (Kino-) Bildung des jungen Autors und seine Bereitschaft, auf das zu blicken, was sich hinter dem Anschein verbirgt.
In den nächsten Jahren muss er seine vielversprechend begonnene Laufbahn unterbrechen. 1951 wird er zum Militärdienst eingezogen, nach seiner Entlassung leitet er einige Zeit den Familienbetrieb in Arras. Hat ihm diese Lücke in seiner Biographie eine andere, lebenserfahrenere Perspektive auf das Kino ermöglicht? Zumindest eines ist klar: Er wird ein eifriger Kinogänger und Leser der Cahiers du Cinéma gewesen sein. Dort veröffentlicht er im März 1958 seinen ersten Artikel, über Fritz Langs Beyond a reasonable doubt (Jenseits allen Zweifels). Im gleichen Jahr beginnt er, für die einflussreiche Wochenzeitung Arts zu schreiben. Er ist bereits einer der profiliertesten Autoren, als Rohmer 1960 nach dem Misserfolg seines Langfilmdebüts Le Signe du lion (Im Zeichen des Löwen) die Chefredaktion der Cahiers übernimmt. Dessen Regentschaft wird oft als die »kohärenteste« Periode in der Geschichte der Zeitschrift bezeichnet; mit dem Risiko einer gewissen Erstarrung.
Als rechte Hand Rohmers wird Douchet in den nächsten Jahren zum einflussreichsten Redakteur. Einerseits fungiert er als Siegelbewahrer des klassischen, von André Bazin, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette und Truffaut geprägten Geschmacks, zu dessen Säulenheiligen Hawks, Hitchcock, Lang, Renoir und Rossellini zählen. Gleichzeitig verleiht er der Zeitschrift wichtige Impulse, indem er neue Kritiker anwirbt, die er aus der Cinémathèque kennt: Jean-Claude Biette, Jean-Louis Comolli, Serge Daney (der anfangs zögert), Jean-André Fieschi und André Téchiné, den er ermutigt, eine Rezension zu Truffauts La Peau douce (Die süße Haut) zu verfassen. Er erweist sich als durchaus listiger Stratege, knüpft Kontakte mit der Schule, die sich um Pierre Rissient im Kino »MacMahon« bildet. Er erkennt, dass man wichtige Filmemacher wie Joseph Losey nicht allein der Konkurrenz von Positif überlassen darf und erweitert so den Kanon der Cahiers.
Als Rohmer 1963 den Posten des Redakteurs nach internen Streitigkeiten räumen muss (und durch Jacques Rivette abgelöst wird), verlässt auch Douchet die Zeitschrift. Gemeinsam mit Rohmer konzipiert er den Omnibus-Film Paris vu par…, für den er selbst eine Episode inszeniert. Fortan dreht er Kurzfilme, arbeitet für das Fernsehen (u.a. für die Sendereihe Cinéastes de notre temps und unterrichtet an der Sorbonne sowie der IDHEC (später FEMIS). 1967 erscheint seine Hitchcock-Monographie. Weitere Bücher folgen, die zum Teil von den Cahiers herausgegeben werden, deren Redaktion er von 1989 bis 1991 zeitweilig wieder beitritt und der er danach als Kolumnist weiter verbunden bleibt.
Die Flamme am Leben erhalten
Seine Texte für die Cahiers und Arts weisen ihn als leidenschaftlichen Vertreter der politique des auteurs aus. In vieler Hinsicht kommt er damit zu spät. Etliche Streitfälle, für deren Reputation seine Vorgänger noch erbittert kämpfen mussten, sind mittlerweile durchgesetzt. So werden beispielsweise Hawks dank des Erfolges von Rio Bravo und Hitchcock dank seines Hattricks Vertigo (Aus dem Reich der Toten), North by Northwest (Der unsichtbare Dritte) und Psycho ab 1959 auch von der traditionellen Kritik in Frankreich akzeptiert.
Die auteurs jedoch, auf deren Ehrenrettung Douchet in den Cahiers und in Arts besonderen Elan verwendet, befinden sich oft bereits in einem Stadium des Abglanzes, die nicht nur aus damaliger, sondern gerade auch aus heutiger Sicht unverkennbar ist. Wenn er die Spätwerke von (ehemaligen) Meisterregisseuren wie Frank Capra und Leo McCarey verteidigt, klingt das oft genug trotzig. Wenn er jedoch feststellt, dass das verdeckte, eigentliche Thema der letzten Filme von Capra, Ford, Lang und Renoir das Gewinnen von Einsicht und Weisheit ist, klingt das mitunter sehr bestrickend. Es braucht einige Kühnheit, Vincente Minnellis Four Horsemen of the Apocalypse (Die vier apokalyptischen Reiter) und die Indien-Filme von Lang nicht nur als Summe, sondern gar als ein Übertreffen ihres bisherigen Werkes zu feiern. (Liebt man sie nicht eher wegen ihres Strauchelns?)
In seiner Argumentation kann Douchet allerdings stets auf eine intime Kenntnis früherer Arbeiten dieser Regisseure zurückgreifen. Wenn man als Leser auf dem gleichen Kenntnisstand ist, leuchtet es durchaus ein, wenn er in seinem Text über Hatari! auf Hawks‘ Stummfilmkomödie Fig Leaves verweist. Überdies ist das Wechselspiel zwischen compression und explosion, das nach Douchets Ansicht garantiert, dass die physische Energie von Hawks‘ Kino bewahrt bleibt, eine griffige, anschauliche Metapher. Die Sorgfalt, mit der er die Rolle der Architektur in Langs Indien-Filmen untersucht, geht bezwingend über die Gemeinplätze hinaus, die den meisten seiner Kollegen zu diesem Thema einfallen. Nicht von ungefähr hat er eine Szene aus Langs Moonfleet (Das Schloss im Schatten) als Umschlagfoto für seine Anthologie »L’Art d’aimer« ausgewählt. Diese Wahl entspricht dem Gestus der Rehabilitation, der sich seit den Anfängen durch seine Arbeit zieht. Lang nobilitiert ein von der gängigen Kritik gering geschätztes Genre, den Abenteuerfilm, weil er ihn als »reine Form« begreift. Ohne den Vorwand etwa eines gesellschaftlichen Kommentars liefert sich der Film ganz dem Rausch des Abenteuers aus, dem Wunderbaren, Erstaunlichen, das sonst nur dem Märchen zueigen ist. In seinem Essay »L’art d’aimer« dringt Douchet auch in den Bereich des Unaussprechlichen vor, in dem sich der Kritiker manchmal wiederfindet.
In »Histoire d’une revue«, seiner Chronik der Cahiers du cinéma, schreibt Antoine de Baecque dem Kritiker eine verblüffende Nähe zur Esoterik und zur Gnosis zu (die gewiss auch dem Einfluss des Philosophen Gaston Bachelard geschuldet ist, den Douchet neben Rohmer als einen seiner Meister nennt). Seine Methode definiert de Baecque als »Entschlüsselung«: Der Film stellt ein Geheimnis dar, das gleichsam in einem umgekehrten Schaffensakt enträtselt werden muss. Eine archetypische Bewegung von Douchets Kritiken besteht darin, zunächst das kardinale Thema eines auteurs zu etablieren. Das eigentliche Sujet ist für ihn dabei nicht im Drehbuch aufgehoben, sondern in der écriture, der Inszenierung. (In dieser Hinsicht ist er durchaus ein Nachfolger Rivettes, des großen Kritikers der Mise-en-scène.) In seiner Stilanalyse macht Douchet sodann die ästhetische Haltung, das Temperament des Regisseurs dingfest. In The Four Horsemen of the Apocalypse etwa offenbart sich Minnelli für ihn als »ein Träumer aus Angst vor der Wirklichkeit«. Seine Kritik zeigt, wie empfindsam er für das parabelhafte (Nach-) Erzählen ist. Das besetzte Paris deutet er in diesem Film als ein Dekor, dessen Seele befreit und errettet werden soll. Der Aufhänger seiner Kritik des nächsten Minnelli-Films Two Weeks in another town (Zwei Wochen in einer anderen Stadt) ist die Idee der Evolution, der Widerstreit zwischen Mensch und Raubtier.
Vereinigung der Sensibilitäten?
Douchets Cinéphilie, seine Verherrlichung der Mise-en-scène, ist anfangs eng, wenn auch nicht ausschließlich – man denke an seine ausdauernde Auseinandersetzung mit Kenji Mizoguchi – an das Hollywoodkino geknüpft. Zwar ist er einer der ersten Kritiker, der die Bedeutung Agnès Vardas erkennt. Aber die Nouvelle Vague, der er auch persönlich verbunden ist – in Truffauts Les 400 coups (Sie küssten und sie schlugen ihn) hat er einen Kurzauftritt als Liebhaber der Mutter –, verteidigt er erst spät. Verrät es nicht eine gewisse Distanz, wenn er in der Anthologie »L’Art d’aimer« in dem Kapitel »Les Années Nouvelle Vague« seinen Kritiken zu Filmen von Claude Chabrol, Pierre Kast und Resnais auch solche zu Filmen von Stanley Donen und Sam Fuller beifügt? In seinem 1998 erschienen Buch über die Neue Welle schildert er die Bewegung aus großem historischem Abstand, wenn auch mit der ihm eigenen, sorgfältigen Systematik.
Die Hinwendung zu den modernen Strömungen des Weltkinos, die vielerorts, unter dem Chefredakteur Rivette auch bei den Cahiers stattfindet, vollzieht er zunächst zögernd. Seine Festivalberichte aus Cannes und Venedig (in denen das »Ich« des Autors als engagiertem Berichterstatter übrigens eine zentrale Rolle spielen, die er ihm in seinen Kritiken nur höchst selten zugesteht: wenn er das eigene Vorgehen, die Findung und Revision seiner Einschätzung der letzten Filme Fritz Langs darlegt) zeigen Anfang der 60er Jahre, wie wenig Geduld er mit Michelangelo Antonioni, Bernardo Bertolucci und Pier Paolo Pasolini hat (die Meriten Valerio Zurlinis, dafür darf man ihn bewundern, erkennt er hingegen rasch). Er schreibt verächtlich über Alain Resnais‘ L’Année dernière à Marienbad (Letztes Jahr in Marienbad). Auch Luis Bunuel steht er anfangs skeptisch gegenüber, wird ihn später jedoch verteidigen – übrigens mit dem gleichen Befund: als einen Regisseur, für den das Kino zunächst einmal eine realistische Kunst ist.
Die Idee der Kontinuität, die ihn als Vertreter der Autorenpolitik im Werk eines Filmemachers passioniert, ist auch eine wichtige Kategorie im Hinblick auf sein eigenes Schaffen: Im Lauf der Jahrzehnte ist er seinen frühen Vorlieben nie wirklich untreu geworden. Aber sie sind ein Fundament, ein Rahmen, den er stets zu erweitern wusste. Nicht zuletzt seine Gastauftritte bei Regisseuren nachwachsender Generationen (Jean Eustache, Xavier Beauvois) demonstrieren, wie brennend sein Interesse am je aktuellen Kino ist. Der Ciné-Club, den er allwöchentlich in der Pariser Cinémathèque abhält, ist nicht nur der Filmgeschichte, sondern zusehends der Analyse von Filmen aus den letzten anderthalb Jahrzehnten gewidmet.
Antoine de Baecque schreibt, schon als Redakteur der Cahiers sei er ein unermüdlicher Pädagoge gewesen. (Wobei das französische rédacteur streng genommen nicht den Redakteur, sondern den Autor meint; in Douchets Fall gilt es zweifellos für beide Funktionen.) Das Gleichgewicht, das er zwischen Leidenschaft und Luzidität herstellt, disponiert ihn hierzu. In der DVD, deren Aufkommen er bereits in seiner regelmäßigen Kolumne für die Cahiers begeistert begrüßte, hat er ein ideales Medium gefunden
Das spezifische Eigenleben
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen beginnt Douchet Filmkritiken kaum je mit einem szenischen Einstieg. Moonfleet ist eine bezeichnende Ausnahme. Dort beschreibt er das Anbranden der Wellen während des Vorspannes; allerdings nicht, um den Leser in den Film und den Text »hineinzuziehen«, sondern um daraus Rückschlüsse auf die Struktur des Werkes zu ziehen. In den Filmanalysen, die er als Bonusmaterial für französische DVD-Editionen von Filmen Mizoguchis, Otto Premingers oder Ernst Lubitschs geschrieben und realisiert hat, verfährt er ebenso.
Unweigerlich beginnt er dabei mit den Vorspannen der Filme. Oft liefert der Kommentar auch hier die schlagwortartige Synthese eines gesamten Œuvres, die sich umgehend der präzisen Stilanalyse öffnet. Die Titelsequenz von Premingers Where the sidewalk ends (Faustrecht der Großstadt) zeigt Douchet gar dreimal, um die Differenz zwischen Genrekonventionen und individueller écriture des Regisseurs herauszuarbeiten und schließlich ein verborgenes, aus Zensurgründen verdrängtes Motiv des Films zu offenbaren.
In seinen Analysen bewahrt er zunächst dem Kino seine Integrität als Kunst der Bewegung (in Premingers Film entwickelt er aus dem Wechselspiel zwischen Kamerafahrten und statischen Einstellungen eine Dialektik von Lüge und Wahrheit), deren Wirken er danach in der Wiederholung durch Zeitlupe und Freeze frames kenntlich macht. Er wirft einen zweiten, interpretierenden Blick auf das zuvor Gesehene. Hier zahlt sich aus, was er von Rohmer über den filmischen Raum gelernt hat. In seiner Analyse von Mizoguchis Ugetsu monogatari (Erzählungen unter dem Regenmond) leitet er das Zerfallen einer Ehe aus den sich verändernden Positionen eines Paares, ihrer sich wandelnden Beziehung zu bestimmten Requisiten und der zwischen ihnen entstehenden Leere her. Für das Verhältnis der Geschlechter findet er eine grundsätzliche Figur, das V, welches die Divergenz der Achsen des männlichen Begehren und der weiblichen Schutzmechanismen akzentuiert. (Um den Gegensatz dieser zwei Universen noch stärker herauszuarbeiten, wechselt Douchet zwischen einer männlichen und einer weiblichen Stimme, die den Kommentar sprechen.)
Der Umstand, dass Mizoguchi zu den großen Meistern gehört, weil er die Effekte gleichsam ausradiert, die Technik unsichtbar werden lässt, ist dabei eine besondere Herausforderung für ihn. Mizoguchi schätzt er als einen Regisseur, der nicht Dinge, sondern Ideen filmt. Diese Herausforderung nimmt er bereitwillig an, stets darauf bedacht, dem Talent des Regisseurs gerecht zu werden, innere Prozesse in äußeren Bewegungen und Gebärden sichtbar zu machen. Sichtlich genießt er die Evidenz seiner Beobachtungen.
So unweigerlich, wie er seine Analysen mit dem Vorspann der Filme eröffnet, beendet er sie mit deren Schluss. Der Zuschauer hat so das Gefühl, ein Werk sei nicht nur im akribischen Studium einzelner Szenen für ihn transparent geworden. Douchet hat seine wesentlichen ästhetischen Bewegungen so präzis herausgearbeitet, dass der Betrachter beim Erscheinen des Endtitels den Eindruck gewinnt, er habe den Film in seiner Gesamtheit interpretiert.