Filmvermittlung und Bildforschung: Harun Farocki

Robert Bressons Film »Das Geld« (»L’argent«), Beitrag für das Magazin »Kino 83«

Bressons Film »L’argent«, von dem dieser Beitrag für die WDR-Sendung »Kino 83« handelt, funktioniert nach dem Prinzip des Reigens: Eine Falschgeldnote wechselt mehrfach den Besitzer. Nach einem ähnlichen Verfahren wechseln die Sprechweisen, Methoden und Autoren in diesem Beitrag über Bressons Film ab. Kommentierung von Fotografien, unkommentiertes Zeigen von Filmausschnitten, Gespräch mit Schauspielern, Off-Kommentar zu Standbildern (mit und ohne Filmton), Arbeit mit Hintergrundmaterialien wie dem Script-Continuity-Buch zum Film. Ein paraphrasierendes Protokoll der Sendung:

-(1) In den ersten secheinhalb Minuten beschreibt Hartmut Bitomsky den Film anhand von Fotografien. »Der Film ist in Farbe gedreht, die Fotos sind schwarz-weiß. Im gleichen Verhältnis steht ein Film zu dem, was über ihn gesagt oder geschrieben wird.« Er schildert die Handlung des Films, aber auch Dinge, die über den Film hinausgehen. So gibt es Gedanken über das Unbedingte und die Härte von Bressons Figuren; auch ihre Unzugänglichkeit. Es wird etwas als Möglichkeit benannt, das ein späterer Teil dieser Sendung einlöst: »Man könnte dem Film auch nachgehen, indem man ihn als eine Kette von Handbewegungen und Handreichungen darstellt.« [00:00 bis 06:25]

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-(2) Es folgt eine Szene aus Bressons Film: Yvon sieht die alte Frau aus der Bank kommen und folgt ihr zu einem entlegenen Haus. [06:25 bis 07:30]

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-(3) Nach einem überraschenden Schnitt steht plötzlich der Darsteller Yvons – vor der Tür und wird von Melanie Walz zu seiner Zusammenarbeit mit Bresson befragt. Christian Patey, Architekt, vergleicht Bressons Arbeit mit Bauten von Mies van der Rohe oder Louis Kahn. Er betont die Reduktion auf das Wesentliche, Bressons Sachlichkeit. Die Schauspieler kennen das Drehbuch nicht, es gibt auch keinerlei psychologische Vorbereitung auf die Rolle. Es wird sehr oft geprobt, bis man die Bewegungen beherrscht, eher wie ein Tänzer als wie ein Schauspieler. [07:30 bis 12:58]

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-(4) Gaby Körner und Barbara Schlungbaum (Sprecherin: Susanne Röckl) konzentrieren sich in ihrer Rekonstruktion des Films auf die Gesten der Hände. Wie Bitomsky benutzen sie keine bewegten Bilder, aber die Standbilder sind bildschirmfüllend, und an manchen Stellen ist den Bildern der Ton des Films unterlegt. Es gibt eine Leitfrage ihrer Bemerkungen: »Die Bewegungen des Geldes haben sich verwandelt in Bewegungen der Gewalt.« Wie zeigt der Film Gewalt? In welcher Beziehung stehen das Geld und die Gewalt zueinander? Die Fotos verdeutlichen hier, dass Bressons Film im Bild die Gewalt zerlegt, deren Kontinuität im Ton erhalten bleibt. [12:58 bis 16:16]

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-(5) Ein zweiter Auszug aus »L’Argent«, Yvon geht ins Hotel Moderne, tötet den Besitzer und raubt das Geld [16:16 bis 18:45]

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-(6) Es folgt eine Analyse dieser Hotel-Sequenz von Jürgen Ebert. Man sieht Ebert an einem Schreibtisch sitzen. Auch er arbeitet mit Fotografien und erläutert Bressons Ellipse, die durch einen kontinuierlichen Ton zustande kommt. Dieser kontinuierliche Ton suggeriert, es sei nichts geschehen. »Der Ton wirkt wie eine zusätzliche Einstellung, als eine Art Ersatz für die fehlende Mordszene. Das Verrückte jedoch ist, dass er nur eine Lücke mehr erzeugt, durch die das Geheimnis durchsickert.« [18:45 bis 20:20]

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-(7) Ein Gespräch zwischen Melanie Walz und Francoise Renberg, seit langem für Script-Continuity bei Bresson zuständig. Sie zeigt das »Anschlussbuch« des Films. Sie erklärt, warum Bresson Mitfahrten und Schwenks koppelt: er möchte, dass sich die Entfernung zwischen Kamera und Darsteller während der Einstellung nicht ändert. Die Kamera soll – so Bressons Ideal – nichts ausdrücken. [20:20 bis 22:20]

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-(8) Wieder ein Ausschnitt aus Bressons Film, den wir in Abschnitt (4) schon in Standbildern gesehen haben: Auf dem Weg zur Scheune begegnet die kleine Frau ihrem Vater, der sie zur Rede stellt und ihr eine Ohrfeige gibt. [22:20 bis 23:57]

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-(9) Gespräch mit dem Regieassistenten Thierry Bodin: Alles werde erst am Drehort entworfen. Melanie Walz fragt nach einer Einstellung, die gedreht wurde, aber im Film nicht vorkommt: Wie der Frau eine Ohrfeige gegeben wird. Frage: Warum hat Bresson das gedreht, wenn er er nicht für den Film braucht. (Ein erstaunlicher Schwenk geht über die Interviewende Melanie Walz nach links und landet überraschenderweise auf der Darstellerin der alten Frau. Antwort: Bresson möchte sich verschiedene Möglichkeiten offen halten. Beim Dreh wusste er noch nicht, ob er den Gewaltakt zeigen solle. Später stellte sich dann heraus, dass das Geräusch des Schlages im Ton und dazu das Überschwappen der Kaffeeschale die richtige Lösung sein sollte. Anmerkung von Melanie Walz: Mit der Schale wird zudem eine Bewegung vom Haus zur Scheune beschrieben (wo sich Yvon versteckt). [23:57 bis 27:44]

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-(10) Es werden nun noch einmal in Standbildern die Einstellungen bis zur Ohrfeige gezeigt. [27:44 bis 27:54]

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-(11) Dann noch abschließende Fragen an Silvie van den Elsen, die Darstellerin der kleinen Frau. Stecke auch etwas von ihr selbst in der Figur? Nein, diese Dame sei ihr ganz fremd. Den großen Edelmut dieser Dame habe sie nicht. Abspann. [27:54 bis 30:00]

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Der Beitrag zu Bressons »L’argent« ist Ausdruck eines engen Austauschs zwischen der WDR-Filmredaktion und der Zeitschrift Filmkritik. Alle Autoren der Sendung sind Autoren der Zeitschrift, Teile der Gespräche für die Sendung sind in das Heft 1/2 von 1984 eingegangen.

Die einzelnen Teile der Sendung greifen wie Zahnräder ineinander. Was Bitomsky als Möglichkeit andeutet, löst der Beitrag von Gaby Körner und Barbara Schlungbaum kurz darauf ein. Fragen, die ein Filmausschnitt aufwirft, werden von einem anschließenden Gespräch aufgegriffen. Orte, die in Bressons Film zu sehen sind, tauchen im Hier und Jetzt der Sendung als Gesprächsorte wieder auf. Auch in seinen filmischen Mitteln greift die Sendung etwas auf, was sich an Bressons Film anlehnt. Die Gespräche mit den Darstellern und dem Regieassistenten, die an einem der Schauplätze von Bressons Film stattfinden, sind nicht im Schuss/Gegenschuss-Verfahren gefilmt. Melanie Walz und ihre Gesprächspartner stehen im Abstand von einigen Metern, und die Kamera wechselt in einem langsamen, ruhigen Schwenk zwischen den Sprechenden.