Experimentalfilmvermittelnde Filme
Screening Room with Robert Gardner
Screening Room with Robert Gardner
Die Sendung Screeing Room ist zwischen 1973 und 1980 in beinah 100 Folgen vom Bostoner TV-Sender WCVB produziert und ausgestrahlt worden. Sie gehört zu einer umfassenden Utopie alternativer Öffentlichkeit, die der Sender WCVB-TV im Fernsehen zu etablieren versuchte.
Zu Gast: Robert Breer
Entwickelt und moderiert wurde die zwischen 70 und 90 Minuten lange Sendung vom Dokumentarfilmer Robert Gardner (geboren 1925), der zu dieser Zeit Vorsitzender des »Department of Visual and Environmental Studies« an der Universität Harvard war.
Einzigartig an Screeing Room ist nicht nur die Ausführlichkeit, Konstanz und Regelmäßigkeit, mit der hier Filmemacher zu Wort kamen. Besonders ist auch die Tatsache, dass die Gäste hauptsächlich aus Avantgarde- und Experimentalfilmkreisen stammten: Hollis Frampton, Standish Lawder, Ed Emshwiller, Yvonne Rainer, Bruce Baillie, Michael Snow, Jonas Mekas und viele andere – die Liste liest sich wie ein Kanon der (zumeist amerikanischen) Künstler aus dem Umfeld der New Yorker Film Coop, des strukturellen Films und anderer Zusammenhänge des nicht-industriellen Filmemachens. Aber auch Dokumentarfilmer wie Emile de Antonio oder Jean Rouch wurden eingeladen, über ihre Filme zu sprechen.
»This unique program dealt even-handedly with animation, documentary, and experimental film, welcoming such artists as Jan Lenica, John and Faith Hubley, Emile DeAntonio, Jean Rouch, Ricky Leacock, Jonas Mekas, Bruce Baillie, Yvonne Rainer and Michael Snow. Frequently, guests such as Octavio Paz, Stanley Cavell, and Rudolph Arnheim appeared as well«, heißt es auf Robert Gardners Netzseite.
Das Prinzip von Screeing Room ist einfach. In einem nüchtern ausgestatteten Studio sitzen Gardner und sein jeweiliger Gast, gelegentlich auch mehrere Gäste wie in der Sendung mit Standish Lawder und Stanley Cavell, auf einfachen Stühlen. Sie sprechen über die Karriere und die Filme des Eingeladenen; zwischendurch werden Filme oder Filmausschnitte gezeigt, die anschließend kommentiert werden. Zwei Praktiker unterhalten sich.
Dieses ganz einfache Dispositiv führt zu erstaunlichen Ergebnissen, soweit man das von der Sendung mit Robert Breer von 1976 extrapolieren kann. Das hat zu tun mit der angenehmen Gelassenheit Gardners. Er stellt zwar Fragen, aber diese Fragen sind nicht inquisitorisch und konkret auf Informationen aus, sondern tippen die Dinge eher sachte an wie beim behutsamen Stoß einer Billardkugel: Er gibt Robert Breer einfach Gelegenheit zu erzählen. Es gibt, wie es scheint, über die Abfolge der gezeigten Filme hinaus keine Punkte, die unbedingt abgehakt werden müssten. Aufgrund dieser entspannten Atmosphäre bleibt auch Gelegenheit für Spontaneität: Als Breer auf der Tischplatte mit ein paar auf dem Tisch herumliegenden Utensilien erläutert, wie er eine Sequenz für einen seiner Animationsfilme komponieren würde, greift Gardner in seine Hosentasche, um Breer mit einigen weiteren Sachen (Notizbuch, Bleistift etc.) auszuhelfen. Breer: »You have more things than I have!«
Im Laufe der Sendung werden sechs Kurzfilme von Robert Breer gezeigt: Recreation (1956-57) A Man and his Dog go out for Air (1957), 69 (1968), Gulls and Buoys (1972), Fuji (1974) und Rubber Cement (1976), und Breer erläutert sein Prinzip, die zahlreichen Einzelbilder für die Aufnahmen auf Standard-Karteikarten zu zeichnen. Er hat zudem zwei »kinetische Skulpturen« mitgebracht, die sich wie von Geisterhand langsam über den Tisch bewegen. Einmal fällt eine der beiden Skulpturen, deren Form an eine fliegende Untertasse erinnert, vom Tisch auf den Boden.
26 Folgen Screeing Room werden nach und nach von »Documentary Educational Ressources« auf DVD herausgegeben: Alan Lomax, Bruce Baillie, Carline Leaf and Mary Beams, Derek Lamb, Ed Emshwiller, Emile de Antonio, George Griffin, Hillary Harris, Hollis Frampton, Jean Rouch, John & Faith Hubley, Jonas Mekas, Les Blank, Michael Snow, Peter Hutton, Ricky Leacock, Robert Breer, Robert Fulton, Standish Lawder & Stanley Cavell, Suzan Pitt, Yvonne Rainer.
Ein kurzer Text über Screeing Room hier.