Dossier

Filmvermittlung und Filmrestaurierung

Wir haben an dieser Stelle das Thema der Filmvermittelnden Filme bereits im Zusammenhang mit Archivarbeit beleuchtet (s. Dossier Filmvermittlung und Archiv: Gustav Deutsch). Ein Dossier zum Filmmuseum ist in Arbeit. Nun also die Auseinandersetzung mit Filmen, die sich der Filmrestaurierung widmen. Archiv, Restaurationswerkstatt, Filmmuseum: die drei tragenden Säulen dessen, was ein wenig altmodisch das Filmerbe genannt wird. Die Bereiche lassen sich nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen: Es ist nicht leicht, von der Aufbewahrung von Film zu sprechen, ohne über den Umgang mit dem Aufbewahrten nachzudenken. Das schließt Konzepte der Präsentation des Aufbewahrten mit ein: Wie zeigen? Was zeigen? In modifizierter Form lässt sich so auch das Fachgebiet der Restaurierung befragen: Wie konservieren? Was konservieren, was wiederherstellen?

Während das Museum eindeutig um Außenwirkung bemüht ist – die Institution nur aus diesem einen Grunde überhaupt besteht: um zu zeigen –, finden die so grundlegenden Aktivitäten um das Bewahren und Restaurieren von Filmen eher im Verborgenen statt. Nicht immer scheint das die Betroffenen zu stören und entsprechend regelmäßig ist auf diesem Feld die Rede von Schutzreflexen, von Überfürsorglichkeit gegenüber dem Material, von einer Politik des Versteckens, die den Filmen ihre Bestimmung raube: gezeigt zu werden. Natürlich ist es für jegliche Politik kennzeichnend, dass bestimmte Auseinandersetzungen umgangen und taktisch-strategisch vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, dass nicht alles ans Tageslicht kommt, was die Erscheinungen der Gegenwart in ihrem Kern ausmacht. Umso dringlicher das genaue Hinschauen auf das, was dem Blick Zugang gewährt, speziell in diesem etwas introvertierten Sektor. Zur Erinnerung: Das Projekt »Kunst der Vermittlung« interessiert sich für Veranschaulichungsverfahren. Wir werden hier also nicht die x-te allgemeine Einführung in die Filmrestaurierung versprechen. Unsere Fragen legen den Akzent auf die Darstellungsformen: Wie wird der Aspekt der Filmrestaurierung mit filmischen Mittel ins Bild gesetzt? Welchen Mehrwert an Erkenntnis wirft ein filmisches Vorgehen ab, welche Vorzüge bietet es gegenüber den »klassischen« Erläuterungsmedien? Aber auch: Vor welchen Herausforderungen steht ein Vorhaben, das als wenig telegen (cine-gen?) geltende Arbeitsabläufe wie Quellenstudium, Archivrecherche und bspw. das Säubern von Filmstreifen im Bewegungsbild festhalten möchte? Diese Fragestellungen bestimmen deshalb auch das Aussehen des Filmrestaurierungsdossiers (das im übrigen erneut die Ausrichtung des Projekts auf die drei regionalen Schwerpunkte Deutschland, Österreich und Frankreich widerspiegelt):

Katja Kynasts Beitrag Das Dispositiv Kino im Blick des filmrestaurierungsvermittelnden Films versucht einen Überblick über Filme, die sich mit Restaurierung von Filmen befassen. Dabei richtet sie ein besonderes Augenmerk darauf, wie in diesen Filmen das gesamte Kino-Dispositiv zur Darstellung kommt, von der Aufnahmetechnik über diverse Zwischenetappen der Filmherstellung bis zur Vorführsituation. Die zentrale These lautet: Wer sich mit Filmrestaurierung beschäftigt, betritt die Kino-Infrastruktur gleichsam durch den Lieferanteneingang. Hier offenbart sich besonders deutlich, dass Film eine Ingenieurskunst ist. Flankierend dazu hat Kynast ein Interview mit Connie Betz geführt, die bei der Deutschen Kinemathek für die Retrospektive während der Berlinale arbeitet und die auch regelmäßig Filmrestaurierung unterrichtet.

Stefanie Schlüter befasst sich in ihrem Aufsatz Versionenvergleiche und ihre Verfahren mit der Figur, der Trope des Versionen-Vergleichs, indem sie mehrere filmrestaurierungskritische Filme nach unterschiedlichen Verfahren überprüft, einen solchen Vergleich zum Gegenstand des Filmbilds zu machen. Walter Moser, Mitarbeiter des Österreichischen Filmmuseums, schreibt in seinem Text Zur Funktion von Film-Stills bei der Film-Rekonstruktion über die wichtige Rolle von Einzel- und Standbildern sowohl bei der Restaurierungs- und Rekonstruktionsarbeit als auch bei der Restaurierungsvermittlung. Sein Referenzfilm ist dabei Greed von Erich v. Stroheim, in der rekonstruierten Fassung von Rick Schmidlin.

Volker Pantenburg geht in Der Mann mit dem Schneidetisch auf den Spezialfall der Restaurierung von Dziga Vertovs Film Entuziazm (Simfonija Donbassa) ein, durchgeführt am Österreichischen Filmmuseum von Peter Kubelka. Pantenburg kommentiert Restoring Entuziazm, in dem Kubelka zu seiner von ihm selbst Re-Synchronisation genannten Restaurierungsarbeit Stellung bezieht und am konkreten Fallbeispiel seine Vorstellung vom Kino als Denkmaschine erörtert. Auch das soll gezeigt werden: Man kann von der Betrachtung konkreter technischer Details direkt in die weitläufigen Räume quasi-philosophischer Abstraktionen gelangen. Die präzise Aufbereitung von Wissen ist eine Grundvoraussetzung nicht nur der Restaurierung, sondern von deren filmischer Darstellung. Michael Baute beschreibt in seinem Text zu Bernard Eisenschitzs Film »Les Voyages de L'Atalante« einen Film des französischen Filmhistorikers und -publizisten Bernard Eisenschitz über die Versionengeschichte von L’Atalante von Jean Vigo. Eisenschitz selbst, in einem Auszug aus dem Interview, das wir im Sommer 2008 mit ihm führten, geht mit Der Streit um »L’Atalante« nochmals ausführlich auf die Entstehungsgeschichte und die Begleitumstände dieser Restaurierung ein.

Screening

Filmvermittlung und Filmrestaurierung

Am 12. Jun 2009 um 19:30, im Kino Arsenal, Berlin

Zu Gast: Martin Koerber